Slow travelling (D)

16 september 2017 - Budapest, Hongarije

Erst ein paar Tage gefahren seit Wien, und schon wieder so viel erlebt!

Dieser heutige kühle feuchte Tag (Dienstag, 12. Spetember) in Komárno kommt mir eigentlich gerade recht, so fiel mir die Entscheidung, einen Tag länger hier zu bleiben, gar nicht schwer...

Ich sitze in der Gaststube einer netten kleinen Pension und kann, Blog und Tagebuch schreibend, die Eindrücke ein bisschen verarbeiten. Eine andere Gelegenheit zur Verarbeitung, die ich entdeckt habe, sind die langen schnurgeraden Wege mit Weitblick.

[Wenn ich nicht gerade, so wie gestern, 10 km Kiesweg fahren muss (Alternative war eine verkehrsreiche Straße). Manchmal blieb ich einfach stecken wie in einem Fahrradständer, ohne umzufallen… haha... und manchmal war an der Seite ein etwa 15 cm breiter Streifen ausgefahren, auf dem es besser ging. Beides eine hervorragende Übung zur entspannten Konzentration. Zum Glück hatte der Regen aufgehört.]

Ich liebe das Licht an den späten Nachmittagen, ich genieße die fast unbegrenzte Freiheit! Und ich bin mir bewusst, dass diese Freiheit nur deshalb zum Genuss wird, weil ich mich gleichzeitig verbunden fühle mit meinem Familien- und Freundeskreis zu Hause. Keine gänzlich neue Erfahrung, aber eine tiefere.

Es ist herrlich, draußen zu sein. Dankbarkeit. Eins mit der Natur – naja, mit einigen Abstrichen dann: ich benutze täglich mein Smartphone, ich habe nachts und bei Regen (kam ganz selten vor) gern ein Dach überm Kopf, ich kann in einen Laden gehen und Essen kaufen, mein Fortbewegungsmittel ist nicht gerade natürlich usw..

Ich bin ein echter slow traveller. Das ist nicht nur ein Luxus, wenn man lange unterwegs ist, sondern sogar eine Notwendigkeit, für mich jedenfalls. Sonst findet das Erlebte keinen Platz zum Bleiben. Die Herausforderung für mich ist dann, nicht zu langsam zu reisen, zu einem slug traveller zu werden :-) (Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich gern irgendwo hängenbleibe. Und „irgendwie“ möchte ich schon gern zum Schwarzen Meer gelangen… haha…)

Ein angenehmer Nebeneffekt des slow travelling ist übrigens, dass alles an mir noch gut mitmacht, Beine, Handgelenke, Schultern, Rücken, Hintern, Kopf.

Komárno ist der slowakische Teil der Stadt, nördlich der Donau (Dunaj), der ungarische Teil südlich der Donau (Duna) heißt Komárom. Ich reise zwar in der Slowakei, aber die meisten Menschen sprechen hier ungarisch, auch wenn sie hier geboren sind – für mich das eine genauso unverständlich wie das andere. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt zwischen der damaligen Tschechoslowakei und Ungarn aufgeteilt.

Hier treffe ich Andrea, eine Bekannte von Yvonne. Eine schöne Begegnung. Sie ist auch Masseurin, wir geben einander eine Massage – herrlich! Ich frage sie, ob es Probleme gibt zwischen slowakisch und ungarisch sprechenden Menschen. Nein, Probleme machen nur die Politiker, ist ihre eindeutige Meinung.

Seit ich die slowakische Grenze überschritten habe, merke ich natürlich auch die Sprachbarriere. Dank sei Mr. Google kann ich ein bisschen mit Menschen ohne Englisch- oder Deutschkenntnisse kommunizieren, auch wenn Gesprächsthemen wie Toleranz oder Verbindung zwischen Menschen etwas zu schwierig für ihn sind... Ebenfalls an Grenzen stoße ich beim Versuch von telefonischen Zimmerreservierungen.

Trotzdem bleiben menschliche Begegnungen die eindrücklichsten Erlebnisse für mich. Wenn mich Beata, von der ich eine ganze Wohnung für € 15 gemietet habe, kurzerhand zu sich nach Hause einlädt zum Frühstück mit einer dicken Scheibe Brot und fettem Speck, weil der Dorfladen unerwartet geschlossen ist, bleibe ich gern eine Stunde länger - und das nicht wegen des Specks. Sie versteht sehr gut, warum ich sie beim Abschied frage, ob sie ihren Namen auf meinen Helm schreiben will.

In Bratislava bekomme ich ganz kurzfristig eine Warm Shower Adresse, bei einem jungen Mann, der trotz vollem Programm und vielen Anfragen „ja“ sagt. Er bringt mich in einem kleinen alternativen Begegnungszentrum ganz in der Nähe der Innenstadt unter. Dort lerne ich am nächsten Tag Jan kennen, einen tschechischen Studenten, der an einem Film über seine Familiengeschichte schreibt. Wir unterhalten uns, gehen zusammen Mittagessen (ich esse eines der traditionellen slowakischen Gerichte, Halušky), und auf einmal ist es Nachmittag, eigentlich wollte ich schon viel früher fahren…  Und täglich muss immer wieder die Frage der Übernachtung (möglichst günstig, und doch angenehm… haha) beantwortet werden. Ich möchte gern noch ungefähr 30 km radeln, Jan hilft mir bei der Zimmersuche und ruft für mich an. Auch nicht schlecht, wenn ich schon weiß, wo ich mein Haupt heute Nacht betten kann.

So ungefähr verlaufen meine Tage, oft anders … go with the flow

Und heute ist „Heute“ bereits Freitag, 15. September.

Von Komárno bin ich in 2 Tagen nach Budapest geradelt, bei Esztergom die ungarische Grenze überschritten, am Donauknie vorbei, einem Abschnitt von ca. 20 km, in dem sich die Donau eine tiefe Schlucht gegraben hat. Steile Berghänge, teils aus vulkanischem Gestein, teils aus Kalkgestein. In Szentendre, einer Stadt kurz vor Budapest, wurden bei Ausgrabungen 20 000 Jahre alten Siedlungsreste gefunden. Für einen Besuch im Freilichtmuseum war es leider zu spät.

Dann die Fahrt gestern Abend durch die Millionenstadt Budapest mit dem Fahrrad! Ich werde mich daran gewöhnen müssen, auf dem weiteren Weg liegen noch mehr Großstädte, in denen Radfahrer noch seltener sind. Oder ich fahre ein Stück mit dem Zug.

Als ich am Schild „Budapest“ vorbeikam, war’s noch helllichter Tag, und stockdunkel, bis ich mein Hostel erreichte. Ursprünglich wollte ich heute gleich weiterfahren, aber ich bin müde und fahre deshalb erst morgen weiter. Denn die größten Herausforderungen liegen ja noch vor mir, dazu muss ich genug Kraft haben!

Morgen beginne ich an meinem 4. Reiseführer, der mich 570 km lang nach Belgrad begleitet. Es liegen jetzt so etwa 1250 geradelte km hinter mir.

Foto’s

2 Reacties

  1. Jacqueline van Marion:
    16 september 2017
    Hoi Anne,
    Met veel bewondering heb ik je laatste reisverhaal weer gelezen : WAT een avonturen!!!
    Ik denk veel aan je, hoe het met je zal gaan, of je een beetje goed weer hebt, enz...
    Heel veel plezier verder op je weg!
  2. Christien:
    20 september 2017
    Meine liebe Anne

    Denke oft an dich. Beim Lesen deines Berichtes tauchst du für mich spürbar aus deinen Worten herauf, du herrlicher Menschen-Mensch! Wie ich. Ich streichle deine Gelenke, fahr vorsichtig, da, in der Ferne. Ik vertrek gauw naar Lent,nar het inwijdingsfeest van de Eikpunt. liebe Anne, een dikke knuffel